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Lehrforschung in Yogyakarta 2006

Die Tandem-Lehrforschung im August/September 2006 unterscheidet sich von den Projekten der Jahre 2004 und 2005 dadurch, dass ein gemeinsames Oberthema gewählt wurde, das die einzelnen Feldforschungsprojekte miteinander verbindet und den Austausch zwischen den Tandems intensiviert: Akademische Kultur
In der vorangegangenen Zusammenarbeit hatte sich gezeigt, dass beträchtliche Differenzen zwischen den akademischen Lebenswelten bestehen, die sich auf die Produktion und Vermittlung von Wissen ebenso wie auf internationale Kooperationsbeziehungen auswirken. Es erscheint uns deshalb sinnvoll, einige Aspekte akademischer Kultur in Indonesien mit ethnologischen Methoden systematisch zu erforschen.

Themen

Evamaria Müller - Realisa Darathea
- Schulen in Indonesien

Roger Spranz - Tika Osbond Sirait
- Leiten, lehren, und lernen an einer indonesischen Universität - Strukturelle Rahmenbedingungen

Viola Schreer - Upik Dyah Eka N
- Dozierendenalltag - Akademische, soziale und wirtschaftliche Situation von Dozierenden

Paritosha Kobbe - Astri Ayu Wulandari
- Studentische Lebenswelten

Ayse Nal - Aan Kurniawan
- Das Verhältnis zwischen DozentInnen und Studierenden

Karin Widmer - Mega Paramita
- Die Bedeutung internationaler Projekte für indonesische Universitäten

Melanie V. Nertz - Putri Novita Taniardi
- Akademische Kultur in islamischen Universitäten

Yvonne Siemann - Sazkia Noor Anggraini
- Alumni ausländischer Universitäten: Einfluss auf die indonesische akademische Kultur

Einige der Lehrforschungsberichte sind als Freiburger Ethnologische Arbeitspapiere erschienen und stehen als pdf-Dateien zum Download bereit.

 

 

"Be flexible" - Bericht der Lehrforschungsgruppe 2006

 

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Lehrforschungsgruppe 2006

 

Anfang August haben wir uns mit diesen Themen auf den Weg nach Indonesien gemacht. Drei Semester dauerte die Vorbereitung: Sprachkurs, Seminar und ein begleitendes Tutorat gaben uns eine Menge an theoretischem Hintergrundwissen für den Aufenthalt in Yogya mit auf den Weg. Und nicht nur diese spezifische Vorbereitung – das Studium an der Uni hat uns Einblicke in die Arbeit vieler Forschenden gegeben und von ihren Feldaufenthalten erzählt. Es war längst an der Zeit es selbst mal zu versuchen: Mit Foto-, Videokamera und Aufnahmegeräten im Gepäck zogen wir los.

Zunächst freuten wir uns auf das Kennenlernen unserer Tandempartner und das Ausprobieren, ob das mit unserem Indonesisch tatsächlich funktioniert. Wir aßen Dinge, für die es keine deutsche Übersetzung gibt, mussten uns daran gewöhnen, dass anstatt eines starken Tropfens der Ingwertee im Hals brannte und merkten, dass der „unpassende“ weihnachtliche Duft von den Nelkenzigaretten (Kretek) kam. Außerdem nutzten wir die Anfangszeit zur Vertiefung unserer indonesischen Sprachkenntnisse in Intensivkursen.

Nach den ersten Tagen Eingewöhnung war nun jeder damit beschäftigt ein Zimmer zu finden, am besten natürlich in einem kos, wie sich die Zimmeransammlungen privater Leute nennen, die für eine Monatsmiete ab 15€ Studenten ein Zuhause bieten. Mit Hilfe unserer Tandem-partner wurden alle schnell fündig. Da sich der Anschluss an das soziale Leben der Mitbe-wohner für uns alle sehr unkompliziert gestaltete, waren die wichtigsten Rahmenbedingungen für den Aufenthalt erstmal geschaffen.

Bald ging es dann auch mit dem ersten Workshop los und all unsere Ideen und Pläne wurden konkretisiert. Neben der inhaltlichen Abstimmung mit unseren Partnern bekamen wir wichti-ge Handwerkstipps mit auf den Weg: Fast jeder angestrebte Kontakt kann mit Hilfe von Netzwerken der indonesischen Tandems angegangen werden, Interviewtermine spricht man am besten per SMS ab und falls etwas doch nicht läuft wie geplant, dann ist es besonders wichtig „flexibel“ zu sein. Der Ratschlag „be flexible“ wurde zentral für viele von uns. Abwarten, etwas anderes versuchen, einen anderen Ansatz ausprobieren, genau beobachten und zuhören, noch mal probieren – es ergibt sich schon irgendetwas. Das war durchaus eine gewisse Herausforderung. Unsere Interviewpartner vergaßen Termine, verschoben sie, verschoben sie nochmals, bereits erteilte Genehmigungen galten plötzlich doch nicht und vieles mehr. Die ganze Kraft unserer „ethnologischen Anpassungsfähigkeit“ wurde ausgetestet und letztlich half uns oftmals nur ein gewisser Humor und eine weitere wichtige Methode: „Relax!“
 

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Karin beim Interview

 

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Ayse und Aan beim abschließenden Gespräch mit dem Rektor der UGM.

 

Besonders hilfreich war dann auch der zweite Workshop. Wir merkten, dass es uns allen gleich erging und bekamen Mut und Geduld von unseren Dozenten zugesprochen. Es ging weiter und tatsächlich ergaben sich "irgendwie" immer neue Möglichkeiten, sich dem Forschungsthema zu nähern und unsere Köpfe, Diktiergeräte und Forschungstagebücher anzufüllen.

 

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Zeremonie am Vulkan Merapi

 

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Zeremonie am Strand von Parangtritis

 

Zudem bekamen wir durch die Rahmenerlebnisse hilfreichen Abstand und neue Kraft für unsere Vorhaben. Gleich mehreren Zeremonien durften wir beiwohnen, ob am Vulkan Merapi oder am Strand in Parangtritis. Auch die Initiation der Erstsemester an einem Wochenende in einem abgelegenen Waldstück hinterließ bei einigen von uns bleibende Eindrücke.

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Die Initiation der Erstsemester, am Tag...

 

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... und in der Nacht

Zu einem eigenen Ritual für uns und unsere indonesischen Tandempartner hingegen wurde das fast allabendliche Treffen am bunderan – dem Kreisverkehr vor der Uni: Im Schneidersitz mit einem Ingwertee in der rechten, und einer kretek-Zigarette in der linken Hand wurde dann verarbeitet und entspannt.
Als schließlich nach sechs Wochen Forschung der dritte und letzte gemeinsame Workshop anstand, hatten wir seitenweise Einträge in unseren Forschungstagebüchern, stundenlange In-terviews und jede Menge anderes themenspezifisches Material zusammen. Die vorgesehene Vorstellungs- und Besprechungszeit wurde bei weitem überschritten. Die Indonesier sollten schlussendlich mit dem mittlerweile sprichwörtlich gewordenen „be flexible...and relax“ Recht bekommen. Wir konnten alle zufrieden sein und waren froh über das Zustandegebrach-te. Ganz besonders glücklich sind wir über die Freundschaften, die sich nicht nur zwischen uns „Freiburgern“ sondern auch mit unseren indonesischen Tandems entwickelt haben. Wir freuen uns auf den zweiten Teil der deutsch-indonesischen Tandemforschung, wenn sie im Sommer 2007 zu uns nach Freiburg kommen und sich der Kreis des Projektes schließt.

 

Einen 20-minütigen Film der Studierenden mit Eindrücken der Lehrforschung im SS 2006 finden Sie hier: