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Netzwerktreffen am 31. Januar 2019

Netzwerktreffen 31.1.2019 Ethnologie–Praxis–Öffentlichkeit

Im Netzwerktreffen vom 31. Januar 2019 wurde im Workshop "Ethnologie - Praxis - Öffentlichkeit" Rolle und Aufgabe des Fachs im Hinblick auf die Praxis erörtert. Nach einer vorläufigen Auswertung der institutseigenen Verbleibsanalyse der Absolventen diskutierten als Podiumsteilnehmer Prof. Judith Schlehe, Leiterin des Instituts, Prof. Christoph Antweiler von der Universität Bonn als Repräsentant*innen der akademischen Ethnologie und Dr. Angelika Mölbert vom Deutschen Roten Kreuz sowie Anna-Maria Manz (M.A.) von MitOst e.V.

„Ethnologie – Praxis – Öffentlichkeit“

Netzwerktreffen des Instituts für Ethnologie am 31.1.2019

1. Einleitung

Die Stühle reichen nicht für alle rund 80 Teilnehmer_innen und der Raum ist vor Beginn der Veranstaltung bereits bis an seine Grenzen gefüllt mit Institutsmitarbeiter_innen, Studierenden und Berufspraktiker_innen. Die Garderobe quillt über vor Winterjacken und die Atmosphäre ist angeregt – man kennt sich oder kommt neu ins Gespräch, wartet gespannt auf die Diskussionen und anderen Programmpunkte, die vom späten Nachmittag bis in die Abendstunden reichen werden.
Dieser kleine Einblick sagt bereits viel aus über das Netzwerktreffen des Instituts für Ethnologie am 31.01.2019.
Denn Studieren ist viel mehr als nur in die Uni gehen! Diesen Gedanken haben wohl beinahe alle Student*innen im Laufe ihres Studierendenlebens. Für viele Studierende der Ethnologie ist ein Teil dieses Lernprozesses abseits des Vorlesungssaals der Umgang mit der häufig eher unangenehmen Frage: Ja und was macht man dann damit? – Die vielfältigen Antworten auf diese Frage sind jedoch meist eher von einer Mischung aus Sarkasmus und Ironie geprägt als von Optimismus und Durchschlagskraft. Aber wieso eigentlich? Schließlich erscheint die Ethnologie in unserer zunehmend globalisierten Welt doch aktueller denn je. Woher aber kommt die fehlende Wahrnehmung der Ethnologie als relevantes Fach? Die Antwort auf diese Frage liegt irgendwo in dem zwischen akademischer Lehre und Theoriebildung auf der einen Seite und gesellschaftlich relevanten Themen und (Berufs)Praxis auf der anderen Seite klaffenden Spalt. Ob dieser Spalt aber tatsächlich existiert und wenn ja, wie man ihn überbrücken, schließen, oder gar produktiv nutzen kann, waren die zentralen Fragen des Netzwerktreffens „Ethnologie – Praxis –Öffentlichkeit“, das zugleich den Abschluss des zweijährigen Projekts „Akademische Ethnologie und berufliche Praxis: Struktur- und Netzwerkbildung“ markierte. Das Projekt wurde mit dem Ziel realisiert, die akademische Ethnologie stärker mit der Berufspraxis zu vernetzen, um Studierenden auf diese Weise berufliche Möglichkeiten, die mit dem Ethnologiestudium verbunden sind, aufzuweisen und ihnen diesbezüglich Orientierung zu bieten. Dieses Ziel wurde anhand mehrerer Angebote realisiert: so wurden unter anderem Tandem-Seminare von Ethnolog*innen sowie Berufspraktiker*innen konzipiert, Erzählcafés veranstaltet sowie eine Alumni-Verbleibstudie durchgeführt.
Somit wurden an diesem Nachmittag unter anderem die folgenden Fragestellungen thematisiert und zwischen Vertreter*innen der Berufspraxis, Dozierenden und Studierenden in anregender Atmosphäre diskutiert: Welchen Bezug hat die universitäre Ethnologie zu der außerakademischen Berufspraxis von Ethnolog*innen? Inwiefern trägt das berufspraktische Wissen ehemaliger Ethnologie-Studierender zu der akademischen Theoriebildung bei? Und welchen Einfluss haben Ethnolog*innen sowie Praktiker*innen auf das Bild der Ethnologie in der Öffentlichkeit?
Der Nachmittag beginnt dabei mit der Vorstellung der Verbleibsstudie des Instituts – deren Ergebnisse in naher Zukunft auch bei den Freiburger Ethnologischen Arbeitspapieren veröffentlicht werden – gefolgt von einer Podiumsdiskussion, moderiert von Saskia Walther.

2. Podiumsdiskussion

Die Sprecher*innen der Podiumsdiskussion waren aufgeteilt in zwei Berufspraktikerinnen, Dr. Angelika Mölbert von Deutschen Roten Kreuz sowie Anna-Maria Manz von MitOst e.V, und zwei Akademiker*innen, Herrn Prof. Dr. Christoph Antweiler von der Universität Bonn sowie Frau Prof. Dr. Judith Schlehe von der Universität Freiburg.
Den vier ExpertInnen ging es darum gemeinsam Wege zu finden, wie man ethnologisches Wissen in nichtakademische Praxisbereiche integrieren kann und gleichzeitig auszuloten, welches Potential die Erfahrungen und das praktische Wissen aus den Anwendungsgebieten der Ethnologie für die akademische Theoriebildung bereithält. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass es im Projektantrag zum o.g. Projekt hieß:
„Im Freiburger Tandem-Teaching Modell sollen die beiden Bereiche von akademischer Ethnologie und Berufspraxis nicht ineinander aufgehen oder im Sinne einseitiger Zulieferer-Dienste aufeinander zugeschnitten werden. Vielmehr sollen sie, ausgehend von ihren jeweiligen Stärken, zueinander sprechen und aufeinander bezogen werden. Dies kann – über beidseitigen Transfer hinaus – zuweilen auch bedeuten, dass Differenzen deutlich und akzeptiert bzw. als produktiv verstanden und verständlich gemacht werden.“
Den Anfang machte Frau Dr. Angelika Mölbert. Sie hat selbst einmal Ethnologie und Islamwissenschaften in Freiburg studiert (und in Ethnologie promoviert) und ist heute Landesreferentin für Migration und Integration beim Badischen Roten Kreuz. Sie verriet uns, dass ihr die ‚ethnologische Brille‘ bis heute dabei helfe in ihrem Berufsalltag jedes Phänomen vorbehaltslos und aus einer holistischen Perspektive unter die Lupe zu nehmen. Weiter ging es mit Frau Anna-Maria Manz, auch sie hat in Freiburg Ethnologie und Sinologie studiert und ist heute bei dem gemeinnützigen Verein MitOst angestellt, der in Zusammenarbeit mit der Robert-Bosch-Stiftung in Lektorenprogramm für den asiatischen Raum leitet. In Bezug auf ihr Ethnologie Studium betonte sie, neben ihrer beruflichen, auch ihre persönliche Entwicklung. Durch ihre ethnologische Ausbildung sei sie heute besonders sensibel in Bezug auf Essentialismen, Machtgefälle und Genderbeziehungen, was besonders in der, in ihrem Beruf gefragten, interdisziplinären Zusammenarbeit hochgeschätzt werde.
Beide Berufspraktikerinnen beklagen jedoch, dass sie kaum Zeit haben, sich mit aktuellen theoretischen Debatten in der Ethnologie auseinanderzusetzen, sodass es schwierig ist, die Verbindung zum eigenen Fach nicht zu verlieren. Gleichzeitig empfinden sie die Theorie als höchst gewinnbringend für ihre Praxis. Frau Mölbert sagt, die „Theorie ist handlungsleitend, und je weiter man sich davon entfernt, desto unsicherer wird man“. Frau Manz betonte in diesem Zusammenhang besonders, wie sehr sie bereue, dass sie sich zwischen ihrem Engagement im Beruf und der aktiven Beteiligung an ethnologischen Diskursen entscheiden müsse. Ihr Wunsch wäre ein Raum, in dem sich Berufswelt und akademischer Diskurs begegnen können, wodurch gleichzeitig das Profil der Ethnologie in der Öffentlichkeit geschärft werden könne. Auch Frau Mölbert würde sich wünschen, neben ihrem Beruf mehr Zeit für den akademischen Diskurs zu haben. Von ihr kam an dieser Stelle die Idee berufsbegleitender Fortbildungen in Ethnologie, die es Berufstätigen ermöglichen könnten sich weiterhin ethnologisch (weiter-) zu bilden. Außerdem berichtete sie von ihrem Spagat zwischen ethnologischem Ethos und Unternehmenspolitik, den sie jedoch durch ein zunehmend selbstbewussteres Auftreten in ihrer Rolle als Ethnologin und den damit verbundenen Diskussionen mit ihren Kolleginnen immer besser meistern könne. Daran anschließend sprach sich Herr Prof. Antweiler für eine selbstbewusstere Präsentation der Ethnologie und ihrer Stärken in der Öffentlichkeit aus. In diesem Zusammenhang betonte er die Rolle des Ethnologen als Anwalt der kleinen Maßstäbe, der als Spezialist einer erfahrungsnahen Herangehensweise viel mehr leisten könne, als (nur) kulturelle Unterschiede zu erklären.
Sowohl Herr Prof. Dr. Christoph Antweiler, der an  der Universität Bonn lehrt und sich, als einer der einflussreichsten deutschsprachigen Vertreter der Applied Anthropology, in zahlreichen Publikationen dafür einsetzt die öffentliche Wahrnehmung der Ethnologie als gesellschaftsrelevante Disziplin zu fördern als auch Frau Prof. Dr. Judith Schlehe, die, während ihrer Zeit als Direktorin des Instituts für Ethnologie an der Universität Freiburg, diverse praxisbezogenen Projekte für ihre Studierenden ins Leben gerufen hat, waren sich einig, dass die Ethnologie ein klareres Profil in der Öffentlichkeit benötigt und die individuellen Praxiserfahrungen von Ethnologen eine produktive Quelle der Theoriebildung und Reflexion darstellen können.
Doch während Herr Antweiler dafür plädierte, die Ethnologie im Allgemeinen anwendungsorientierter zu gestalten und eine erste Professur für Praxisethnologie in Deutschland zu vergeben, wies Frau Schlehe warnend auf die Gefahr hin, die Ethnologie könne zu einem Instrument der neoliberalistischen Arbeitswelt werden. Sie möchte nicht, dass sich die Ethnologie weiter an die Wirtschaft annähert, sondern vielmehr die Lücke zwischen akademischer und nicht-akademischer Praxis von innen heraus füllen.
Eine Gemeinsamkeit aller vier Sprecher*innen war das Fordern einer Sichtbar- sowie Begreifbarmachung der Ethnologie und ihrer Stärken in der Öffentlichkeit: je mehr wir unsere Fähigkeiten verständlich bewerben, desto besser können wir darauf bestehen, auch in der Berufspraxis auf unsere fachtypisch detaillierte und erfahrungsnahe Weise zu forschen. Laut Antweiler sollten wir ebendiese Herangehensweise in den Vordergrund stellen und die Rolle als „Anwalt der kleinen Maßstäbe“ einnehmen.

3. Poster-Begehung und Gruppengespräche

Nach der Podiumsdiskussion wurde die Poster-Ausstellung eröffnet. Die Poster wurden von Studierenden erstellt und behandelten vergangene oder mögliche zukünftige ethnologische Projekte. Eingeteilt waren sie thematisch sowie räumlich in vier Gruppen:
(1) „Ethnologie und Entwicklungszusammenarbeit/Stiftungswesen/Bildung“; (2) „Ethnologie und Ausstellungspraxis/Repräsentation/Journalismus“; (3) “Ethnologie und Umwelt/Mitwelt/Müll“; (4) „Ethnologie und Soziale Arbeit/Migration/Stadtpolitik“.
Für eine knappe Dreiviertelstunde bestand die Möglichkeit, sich die Poster anzuschauen, sich beim Buffet zu bedienen und mit anderen Gästen in Dialog zu treten. Danach teilte sich das Publikum je nach Interesse in die vier eben genannten Gruppen auf, um die letzte halbe Stunde über eine der Thematiken zu diskutieren und konkrete Ideen für eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen dem Institut und Vertreter*innen aus der Berufspraxis zu entwickeln.

3.1 „Ethnologie und Entwicklungszusammenarbeit/ Stiftungswesen/Bildung“

Diesen Thementisch moderierte Dr. Philipp Schröder, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Freiburger Ethnologie-Institut arbeitet und zusätzlich seit vielen Jahren als Berater von entwicklungspolitischen Organisationen tätig ist. Die Atmosphäre war angeregt. Zuerst stellten die drei Studierenden, deren Plakate hier ausgestellt waren, ihre sehr unterschiedlichen zugehörigen Projekte vor. Ausgehend von konkreten Ergebnissen der Forschungen – u.a. das Verständnis eines Konzepts aus der Perspektive einer bestimmten Gruppe und die Notwendigkeit, globale Paradigmen lokal anzupassen – wurde an die Praxisvertreter*innen die Frage gestellt, wo eine Schnittstelle zur Praxis bestünde und wie diese Erkenntnisse in der Praxis nutzbar sein könnten.
Daraufhin begann die Gruppe, konkrete Beiträge zu identifizieren, die die Ethnologie in diesen Berufsbereichen leisten kann. Die Ethnologie und vor allem die zugehörige Perspektive können dazu dienen, globale Themen auf lokale Kontexte übertragbar zu machen und wiederum lokale Perspektiven in größere Diskurse und in Projektentwicklung einzubringen. Vor allem in arbeitsteiligen Projekten, an denen mehrere Disziplinen beteiligt sind, sollte sich die Ethnologie stark einbringen. Als besonders wichtig wurde hierbei eine Übersetzungsfunktion bewertet, bei der z.B. lokales Wissen und lokale Konzepte für ein allgemeines und nicht-akademisches Publikum verständlich dargelegt werden. Diese Übersetzungsarbeit kann jedoch sehr vielfältig sein. Als Beispiel wurde in dieser Gruppe die Bildungsarbeit diskutiert. Deutlich wurde hier an die Podiumsdiskussion und die dort formulierte Forderung, die Ethnologie müsse stärker ihren Fokus auf ‚kleine Maßstäbe‘ und Erfahrungsnähe betonen, angeknüpft.
Projekte nachhaltiger zu gestalten, wurde als weitere große Stärke der Ethnologie identifiziert: Die Wirkung von Projekten – letztlich genau wie Lehrveranstaltungen an der Universität – müsse immer mehr gemessen werden. Dies geschehe meist in Zahlen, welche wiederum von denen konstruiert werden, die sie herausgeben. Gerade soziale Wirklichkeiten werden hierbei in Formen gesteckt, die ihr nicht gerecht werden können. Hierbei kann die Ethnologie sich für eine qualitativere Darstellung von Wirkung einsetzen. Konkret wurde der konzeptionelle Rahmen im Anfangsstadium eines Projekts hervorgehoben. Wie Herr Schröder es ausdrückte, würden manche Menschen mehr von Zahlen und manche mehr von Geschichten überzeugt. EthnologInnen können sich in Teams, die Zahlen liefern müssen, darauf konzentrieren, in einer guten Voruntersuchung die Geschichten herauszufinden, aus denen danach gute statistische Untersuchungen entstehen können, weil die Parameter der Fragen der Perspektive der Befragten entsprechen.
Ein weiterer großer Diskussionspunkt war die Marginalisierung der Praxis in Ethnologie-Instituten im deutschsprachigen Raum, die zu einer schwachen Schnittstelle zwischen Akademie und Praxis führe. Das Freiburger Tandem-Teaching Modell aufgreifend, wurde als Möglichkeit in der Gruppe angeführt, Impulse aus der Praxis z.B. durch Lehraufträge wieder zurück in die Akademie zu bringen um langfristig eine Öffnung dieser voranzutreiben.

3.2 „Ethnologie und Ausstellungspraxis/ Repräsentation/Journalismus“

Diese Themengruppe wurde von Herrn Dr. Ingo Rohrer aus dem Institut für Ethnologie in Freiburg moderiert. Es wurden anfangs persönliche Erfahrungen ausgetauscht, aus denen Frage- und Problemstellungen rund um das Verhältnis zwischen Ethnologie und Medien entsprangen. Zunächst drehte sich die Diskussion darum, wie man die ethnologische Praxis in Medieninstitutionen einfließen lassen kann. Einige Erfahrungsberichte bündelten sich in der Gemeinsamkeit, dass Ethnolog*innen mit den Strukturen vieler Medieninstitutionen nicht auf einen Nenner kommen: einige hatten erlebt, dass Stereotypen tagtäglich reproduziert und Themen essentialistisch sowie sensationell vermittelt wurden. Die Gruppe stimmte darin überein, dass man in diesem Arbeitsbereich nur sehr eingeschränkt ethnologisch arbeiten kann, da dessen Ziel das schnellstmögliche und leichtverständliche Vermitteln eines vorgegebenen Themas darstellte.
An diesem Punkt kam die Diskussionsgruppe zu dem Schluss, dass man sich eher eigenständig als in etablierten, großen Medieninstitutionen betätigen solle, falls man als Ethnolog*in auf ethnologische Weise mit Medien arbeiten möchte. Um dies tun zu können, ist Medienkompetenz als Zusatz zum ethnologischen Studium von größter Wichtigkeit. Um ein großes Publikum zu erreichen, müssten Ethnolog*innen vor allem lernen, Thematiken verständlich zu vermitteln.
Dieser Punkt richtete die Diskussion auf die Rolle der Ethnologie in der Öffentlichkeit und in den Medien: wie sollen sich Ethnolog*innen öffentlich präsentieren? Auch diese Thematik knüpfte an die Podiumsdiskussion an, in welcher die Sprecher*innen eine Sichtbarmachung des Fachs als notwendig erklärt hatten. Die Workshop-Gruppe besprach, dass das Thema „Ethnologie“ in den Medien durchaus präsent ist. Allerdings wird es assoziiert mit einem mehrere Jahrzehnte hinterherhängenden Stereotyp. Was in den Diskursen der Medien fehlt, ist die Thematik der Ethnologie als gegenwärtige Wissenschaft sowie Stimmen von Ethnolog*innen. Herr Antweiler erzählte davon, dass er von Medien lediglich bezüglich ‚exotischer‘ Kulturthemen angefragt wurde, da diese laut der öffentlichen Assoziation mit der Ethnologie in unseren Fachbereich fallen. Die Diskussionsgruppe einigte sich darauf, dass diese Angebote trotzdem Potential beinhalten. Auch wenn schließlich Journalisten die Kontrolle haben, wie das Besprochene verpackt wird, sollten solche Möglichkeiten wahrgenommen und genutzt werden. Dabei könnten Ethnolog*innen nämlich unter anderem Gemeinsamkeiten von Kulturen unterstreichen sowie das heutige Fachgebiet der Ethnologie erläutern. Für das Einbringen der Ethnologie in öffentliche Debatten wurde die gegenwärtige Migrationsthematik als prädestiniertes Beispiel in die Runde geworfen. Die Diskussionsgruppe kam letztendlich zu dem Schluss, dass Ethnolog*innen ihre Medienphobie ablegen und sich aktiv in öffentliche Diskurse einbringen müssen. Dazu gehöre Mut zum Vereinfachen sowie zum Abgeben der absoluten Kontrolle über den Inhalt.

3.3 „Ethnologie und Umwelt, Mitwelt, Müll“

Vor den Postern zum Thema Ethnologie und Umwelt, Mitwelt, Müll fanden sich gemeinsam mit Frau Schlehe rund ein Dutzend Studierende ein. Der Bereich der nicht-akademischen Praxis wurde außerdem von der Stellvertretenden Leiterin der gemeinnützigen Stiftung WaldHaus Freiburg, Frau Dr. Margret Hansen, vertreten. Obwohl sich sowohl die Studierenden, als auch Dr. Margret Hansen schnell einig waren, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen Universität und gemeinnützigen Stiftungen, wie dem WaldHaus Freiburg, für beide Seiten durchaus gewinnbringend sein kann, gab es anfangs einige Probleme einen gemeinsamen Nenner zu finden. Schließlich gehorchen die internen Prozesse des universitären Alltags und die einer Stiftung, die u.a. ein offenes Jahresprogramm, Ausstellungen und Führungen für ein breites Publikum anbieten, sehr unterschiedlichen Eigenlogiken. Den Vorlauf und die Kontinuität, die ein gemeinsames Projekt aufweisen müsste, um in das zu Teilen lange im Voraus geplante Programm des WaldHaus integriert werden zu können, mit dem Semesterrythmus und den (verhältnismäßig) kurzen 2-3 Jahren, die die meisten Studenten in Freiburg verweilen, zu vereinen, stellte alle Anwesenden von eine große Herausforderung. So dass sich die Diskussion zunächst wieder etwas von konkreten Projekten mit dem Waldhaus weg, hin zu einem freien Sammeln von Ideen, wie man ihre persönliche akademische Arbeit und Interessen der Studierenden einem öffentlichen Publikum zugänglich machen könnte, bewegte. Hierbei wurden Ideen von Internet Blogs und Podcasts, zu interdisziplinären Diskussionsrunden und anderen dialogischen Formen der Wissensvermittlung zusammengetragen. Angeregt von dem ehrlichen Engagement der Studierenden und der Fülle an innovativen Ideen, gelang es den Anwesenden abschließend, einige der Ideen als in die Zukunft gerichtete Projektpläne festzuhalten. Frau Schlehe schlug schließlich vor, die Idee der interdisziplinären Naturgespräche als potentiellen Nachfolger der Erzählcafés im Kopf zu behalten, während auch Frau Hansen versicherte, eine Kooperation mit dem Institut der Ethnologie in Bezug auf ihre hauseigene Veranstaltungsgsreihe „Wälder der Welt“ nach Absprache mit dem Eine Welt Forum als langjährigem Kooperationspartner dieser Reihe in Zukunft ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

3.4 „Ethnologie und Soziale Arbeit/Migration/Stadtpolitik“

In diesem von Frau Dr. Walther moderierten Themenkomplex hatten viele Teilnehmer_innen bereits Erfahrung im Bereich der Stadtpolitik und berichteten von diesen. Alle waren sich einig, dass Ethnolog_innen, auch wenn sie nicht pädagogisch ausgebildet sind und ihnen bestimmte Kenntnisse fehlen, Fähigkeiten haben, welche die der Sozialarbeiter_innen und Pädagog_innen bedeutend ergänzen, besonders was Inter- und Transkulturalität betrifft. Ein großes Problem hingegen ist, dass Ethnolog*innen entsprechende Stellen in der Migrations- und Integrationsarbeit nicht besetzen können, da für die Finanzierung eine pädagogische oder Sozialarbeiter-Ausbildung vorausgesetzt wird. Daher solltte dieses Feld im Studium öfter angeboten werden, und die Fähigkeiten von Ethnologie-Absolventen sollten bekannter gemacht werden. Ein Thema, mit dem man sich auseinandersetzen müsste, ist: Wie kann man mit traumatisierten Menschen aus anderen Regionen arbeiten? Hier sind sowohl psychologische bzw. sozialpädagogische als auch ethnologische Kenntnisse von Bedeutung. Es geht nicht nur um Differenz, sondern auch um Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Kulturen. Die Teilnehmenden plädierten zudem für mehr ethnologische Forschung zu Flucht, Integration und Migration. Auch hier wiederholt sich das Thema der Öffentlichkeit der Ethnologie sowie der besseren Vernetzung von Theorie und Praxis.

4. Schluss

Zusammenfassend bot das Netzwerktreffen zum einen eine Diskussionsplattform für die dringende Frage bezüglich des Verhältnisses zwischen Ethnologie, Praxis und Öffentlichkeit. Zum anderen diente es als Möglichkeit des Netzwerkauf- und -ausbaus. Die gut besuchte Veranstaltung schaffte somit fruchtbare Dialoge zwischen Studierenden, Lehrenden und Praktiker*innen und legte dar, wie relevant das Erweitern des Fachs über die universitären Grenzen hinaus ist.
Alles in allem war das Netzwerk treffen somit ein voller Erfolg, der gezeigt hat, dass mit dem Ende des Projekts „Akademische Ethnologie und berufliche Praxis: Struktur- und Netzwerkbildung“ keineswegs das Interesse an, sowie das Engagement für eine Ethnologie jenseits der Mauern der Universität versiegt. Wie so oft war also auch dieses Ende gleichzeitig ein Anfang, der das Potential für zahlreiche Ideen, Hoffnungen und Pläne für die Zukunft offenbart hat.
Dies zeigt: Die Ethnologie kann was und hat was zu sagen. Wir sollten sie mit mehr Selbstbewusstsein vertreten.


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