Internationale Tandem-Lehrforschung in Ko-operation mit der Gadjah Mada Universität, Yogyakarta, Indonesien
Allgemeine Informationen
Seit 2004 werden kontinuierlich gemeinsame Lehrforschungen mit Ethnologie-Studierenden der Universität Freiburg und der Gadjah Mada Universität (UGM) in jährlichem Wechsel in Deutschland und in Indonesien durchgeführt, die durch Dozierende beider Universitäten betreut werden. Dabei entwickeln die Studierenden im Kontext eines alle zwei Jahre wechselnden Rahmenthemas Fragestellungen, die sie in studentischen Kleingruppen in beiden Ländern bearbeiten. Durch das gemeinsame forschende Lernen üben die Studierenden sich in der Fähigkeit multiple Perspektiven einzunehmen unddie eigenen Positioniertheit zu reflektieren. Darüber hinaussammeln sie Erfahrungen mit inklusiven Prozessen der Wissensgewinnung, die für eine reziproke und dekoloniale Lehr- und Forschungspraxis von zentraler Bedeutung sind.
Die Tandem-Lehrforschung wurde von Judith Schlehe initiiert und durch die Einbeziehung weiterer lokaler und interdisziplinärer Partner-Institutionen stetig weiterentwickelt. So forschten die Ethnologie-Studierenden von 2011-2017 gemeinsam mit Studierenden der Politikwissenschaft (Internationale Beziehungen) beider Universitäten zusammen. Von 2014-2017 schloss die Zusammenarbeit außerdem die Hasanuddin Universität in Makassar und im Jahr 2020 die University of Indonesia (UI) in Jakarta mit ein. Von 2018 bis 2022 war zudem die Universität Basel im Rahmen des European Campus in das Projekt integriert. Seit 2023 führt Michaela Haug die Tandem-Lehrforschung in Zusammenarbeit mit Pujo Semedi Hargo Yuwono und Sita Hidayah an der Gadjah Mada Universität fort.
Aktuelle Lehrforschung
Tandem Research Training 2023 & 2024: Urban Future-Making
The current research training centres on the topic of "Urban Future-Making". In August 2023, students of Social and Cultural Anthropology from the UGM and the University of Freiburg explored urban transformation processes and aspirations for future urban lifeworlds in Yogyakarta; in summer 2024, urban transformation processes were then examined in Freiburg.
Tandem Team 2024 in front of our institute in Freiburg
Tandem Team 2023 at UGM in Yogyakarta
Lehrforschung 2024 - Urbane Zukunftsgestaltung in Freiburg
Different Shades of Green in the Perception of Dietenbach
Aqilurrachman Abdul Charitz und Frederik Budach
Learning about activist solidarity
As part of this year's tandem research training in co-operation with the Indonesian University of Gadjah Mada (UGM) in Yogyakarta, our team is working on the different visions of a new ‘green’ city. At the centre of our research stands the newly planned district of ‘Dietenbach’, which is to be built at the outskirts of Freiburg. A large part of the forest in the city district of Rieselfeld has to be cleared for this new district. A small, heterogeneous group of activists is campaigning against Dietenbach to preserve the forest. In our project, we are trying to identify and contrast the different ideas of a ‘green future’ that prevail among urban planners, activists and various proponents and opponents of Dietenbach. Our overall aim is to shed light on and elaborate the facets of a “green future for all”.
Feminist City Planning
Bianca Rahmavisya, Emily Schwab und Leo Kasper
During an expert interview with Prof. Dr. Tanja Mölders
We worked on feminist city planning in the relatively young city district of Rieselfeld in Freiburg. We wanted to find out how a feminist approach to city planning could be implemented and whether this had been done in any way in Rieselfeld. For this we conducted expert interviews with researchers on different topics and the gender equality commissioner of the city of Freiburg. We then focused more on the perspective of the residents of Rieselfeld and in what ways they experience public spaces in Rieselfeld. Among the topics that came up were the inclusivity of Rieselfeld, the extent to which it is a great place for young families, and the gap between the images of Rieselfeld that younger people and older adults have.
Green Mobility: Initiatives Towards a More Bike-Friendly City
Carina Piening, Maya Wirsing, Michael Dira Van Terry
Cycling with the critical mass
We started with exploring the bike culture of Freiburg - a city, which is considered as very bike-friendly. We asked people what motivates them to ride their bikes. We wanted to know whether they use their bikes because they pursue a sustainable lifestyle or for other reasons, and how they perceive access to bicycle mobility in Freiburg. We further visited initiatives that are concerned with bike based mobility, such as bike-recycling shops, different bike and repair shops, the “critical mass” and the national bike club. It stood out to us that many people we observed and talked to aren’t content with the current situation for bikes in Germany but also in Freiburg. Those were people that just like bicycling on the one hand but mostly were concerned about the climate as well. In several in-depth interviews we learned that those topics can’t be separated from each other and that we are far away from a car-free city, but that many ideas and attempts exist to work towards that ideal.
Car-Free Living in the Vauban
Laura Landsberg, Josephine, and Julia Kümmel
Exploring Vauban – one of Freiburg’s well known “green” city districts
During this research training, we were called JJL in Vauban: Julia, Josephine, and Laura. We conducted field research in Vauban to explore the impacts of urban planning in the district, as Vauban is internationally known as a “green” model district, which promotes car-free living. In the course of our research, we not only learned a lot about green urban planning, but we also had many opportunities to learn with and from each other. After a month of research, we found a lot of new knowledge about district planning, like for example where Vauban specifically provides parking for its residents who have private cars. Above all, this district shows how inclusivity can be achieved through urban planning that involves many stakeholders.
Lehrforschung 2023 - Urbane Zukunftsgestaltung in Yogyakarta
Landwirte der Generation Millennials in Yogyakarta: Hoffnungen und Bestrebungen der städtischen Bauern in Yogyakarta
Nicole Rumert und Putri Sekar Melati
Während unserer Tandem-Forschung mit jungen Landwirten in der Stadt Yogyakarta beschäftigten wir uns mit dem Thema "urbane Zukunftsgestaltung". Als internationales Team tauchten wir in die Hoffnungen und Bestrebungen unserer Gesprächspartner ein, indem wir an verschiedenen Treffen teilnahmen und uns an verschiedenen landwirtschaftlichen Aktivitäten beteiligten. Die Erfahrung, als Tandem zu arbeiten, war eine wertvolle Gelegenheit, bei der wir voneinander lernen, Hindernisse als Team überwinden und gemeinsam die Welt der Anthropologie erkunden konnten.
Gelanggang Mahasiswa UGM
Antonia Riegger, Aqilurrachman Abdul Charitz, Daiva und Cornelius Prabhaswara Marpaung
Meine Gruppe widmete sich dem „Gelanggang Mahasiswa“, einem Gebäudekomplex auf dem Campus unserer Partneruniversität, der Universitas Gadjah Mada in Yogyakarta (UGM). Im Gelanggang befanden sich von 1975 - 2020 Räumlichkeiten für die verschiedenen Initiativen, in welchen Studierende fakultätsübergreifend aktiv sind, sich austauschen und vernetzen. Im Jahr 2020, während der Zeit der Online-Lehre aufgrund von Corona, wurde der Gebäudekomplex dann von der Universität abgerissen mit der Ankündigung, dass ein neues Gelanggang gebaut werden soll – das sogenannte GIK, welches sich aktuell im Bau befindet und Anfang 2024 eröffnet werden soll.
Wir beschäftigten uns mit Fragen wie: Wie werden studentische (Frei-)Räume an der Universität erschaffen, gestaltet und verhandelt, wie prägen sie die Universitätskultur und welche Konflikte entstehen durch die Interessen unterschiedlicher Akteur*innen?
Im Laufe unserer Forschung bekamen wir den Eindruck, dass die in den Prozess involvierten Akteur*innen unterschiedliche und teils entgegengesetzte Interessen in das neue GIK haben. Welche dieser Erwartungen, Hoffnungen oder Ängste das GIK bei seiner Eröffnung erfüllen wird und wie die involvierten Akteur*innen und vor allem die Studierenden der UGM darauf reagieren werden, bleibt abzuwarten.
Street Food & Abfallwirtschaft in Yogyakarta
Bianca Rahmavisya und Kiara Roller
Meine Tandem-Partnerin und ich haben zu dem Thema Street Food und Müll geforscht. Wir legten unseren Fokus auf die Verpackungen, die in diesem Sektor anfallen. Dabei kategorisierten wir welche Verpackungen es gibt und aus welchen Beweggründen sich die Verkäufer*innen dafür entschieden haben. Außerdem befragten wir die Kundschaft, ob die Verpackung eine Auswirkung auf ihre Kaufentscheidung haben. Neben diesen Aspekten erweiterten wir unseren Blick darauf, wie die Müllinfrastruktur in Yogyakarta ist und welche Auswirkungen der Verpackungsmüll auf die Region hat.
Wir fanden heraus, dass die gängigste Verpackungen single use Verpackungen sind, die aus Plastik bestehen. Oft waren der Preis oder die Effizienz die Hauptargumente für diese Entscheidung und bei der Kundschaft spielte die Verpackung oft eine zweite Rolle, primär stand die Qualität des Essens im Vordergrund. Nichtsdestotrotz gab es wenige Personen, die auch nachhaltige Verpackungen anboten, jedoch in der Unterzahl.
Abfallmanagement im Sukunan Eco Village
Josephine, Sitti Monira Fyenci F. Laya und Nora Papanastasiou
Unser Team beschloss, das Sukunan Eco-Village zu erforschen, da nach unserem Verständnis dieser Kampung, erfolgreich ein gemeindebasiertes Abfallwirtschaftsprogramm umgesetzt hatte. Unser Ziel war es, zu verstehen, wie sich diese Initiative auf die BewohnerInnen des Kampungs auswirkte. Durch zahlreiche Interviews mit den BewohnerInnen von Sukunan stellten wir fest, dass das ursprünglich als nachhaltiges Abfallwirtschaftsprojekt konzipierte Vorhaben sich allmählich zu einer aufstrebenden Tourismusattraktion entwickelt hatte. Wir hatten das Glück, eine Anthropologin zu treffen, die seit über 20 Jahren aktiv am Programm beteiligt war. Sie kehrte in den Kampung zurück, um die Entwicklung des Programms zu überprüfen, und lud uns großzügig ein, sie zu begleiten. Es war äußerst wertvoll, eine Anthropologin in ihrem Forschungsfeld zu erleben und zu beobachten, wie sie ihre Datensammlung durchführte.
Die Zukunftsperspektive von Kindern in Kalicode
Hanes, Kawai Labiba Mathilda Ahmad, Leo Kasper und Muhammad Harits Hibatullah
Unser aller Leben ist geprägt durch Zeitlichkeit und die scheinbar (un)endlichen Möglichkeiten der Zukunft. Besonders Kinder haben in der Regel noch den Großteil ihrer Zukunft vor sich und scheinen so noch viel offensichtlicher das Potential einer ungeschriebenen Zukunft zu verkörpern mit all den möglichen Richtungen, die sie noch einschlagen könnten. Doch inwiefern prägen die ökonomische Bedingungen des Umfeldes, in dem sie aufwachsen ihr ‚Zukunftspotential‘ und eventuell Vorstellungen von und Erwartungen an ihre eigene Zukunft? Dazu hat meine Tandemforschungsgruppe versucht in einem Stadtteil Yogyakartas zu forschen, der ökonomisch als stark benachteiligt gilt. Innerhalb von einem Monat konnten wir leider keine eindeutigen Ergebnisse erarbeiten, jedoch durften wir eine große Gruppe an Kindern aus diesem Stadtteil kennenlernen und durften an unterschiedlichen Nachbarschaftsevents, die dort stattgefunden haben, teilnehmen. So haben wir einen ersten Einblick in diese Thematik bekommen und konnten uns mit unterschiedlichen Methodiken der Feldforschung ausprobieren. Zudem war es sehr spannend zum ersten Mal in einer Forschungsgruppe mit Anthropologie-Studierenden eines anderen Landes zusammenzuarbeiten und diese für mich neue Gruppendynamik mitzuerleben und zu gestalten! Alles in allem bin ich sehr dankbar für diese Erfahrung, die mir einen neuen Einblick in die Möglichkeiten der anthropologischen Zusammenarbeit geboten hat.
Mobilität in der Stadt
Aqilah Rahmawati, Fine Kronshage, Michael Dira van Terry und Salsabila Aufa Nariswari
Das Thema unserer Tandemforschung waren Studierende, die mit dem Fahrrad von ihrem Wohnort zum UGM-Campus fahren. Wir konzentrierten uns auf ihre Herausforderungen und Hoffnungen für die Zukunft der Fahrradinfrastruktur in Yogyakarta. Zusätzlich zu unseren eigenen Erfahrungen beim Radfahren durch Yogyakarta führten wir Interviews und teilnehmende Beobachtungen in unserer fünfköpfigen Tandemgruppe durch. Wir haben uns auch mit dem Thema Entfernung beschäftigt. Was wird als nah und leicht mit dem Fahrrad erreichbar definiert und was als "zu weit".
Tourismus in Kaliurang auf Gemeindeebene
Anna Wessely, Ester Krenhapuk Mariana Nainggolan und Lintang Abiyasa
In unserer Forschungsgruppe verbrachten wir die meiste Zeit in einem Dorf namens Kaliurang in der Nähe von Yogyakarta. Es liegt am Fuße des Mount Merapi, eines Vulkans, der 2010 zum letzten Mal in großem Ausmaß ausbrach und danach zu einem Katalysator für den Lava- und Jeeptourismus in der Region wurde. Aus einer gemeindebasierten Initiative heraus wurden Rettungsjeeps als touristische Abenteuerattraktion eingesetzt, um die Auswirkungen des Vulkanausbruchs zu erleben. Seitdem ist der Tourismussektor in der Region stetig gewachsen, was dem Dorf und seinen Bewohnern ein finanzielles Einkommen verschafft, aber auch positive Auswirkungen auf den städtischen Tourismus in Yogyakarta hat. Es gibt ein Sprichwort, das besagt, dass man nicht in Yogyakarta gewesen ist, wenn man den Jeep-Tourismus in Kaliurang nicht erlebt hat. Uns als Forschungsgruppe interessierte die Frage, welche Dimensionen von Zukunftsvorstellungen, Hoffnungen und Sorgen mit dem wachsenden touristischen Jeep-Geschäft einhergehen. Wie erleben die Einheimischen ihr Leben und ihre touristische Arbeit in einem Gebiet, das als "Katastrophenregion" dargestellt wird und deshalb mit staatlichen Abwanderungsprogrammen konfrontiert ist? Wie erleben die Einheimischen die vielfältigen Auswirkungen, die das tägliche Leben in der Nähe eines aktiven Vulkans mit sich bringt, und wie gestaltet sich dadurch ihre Zukunft?
Informationen zu vorherigen Lehrforschungen
Nähere Informationen und Berichte über die vergangenen Lehrforschungen seit 2004 schauen Sie in unser Archiv.
Veröffentlichungen & Pressespiegel
Veröffentlichungen
- Schlehe, Judith and Sita Hidayah. 2014. Transcultural Ethnography: Reciprocity in Indonesian-German Tandem Research. Research. In: Huotari, Mikko, Jürgen Rüland and Judith Schlehe, eds. Methodology and Research Practice in Southeast Asian Studies. Houndmills: Palgrave Macmillan 2014: 253-272.
- Schlehe, Judith and Sita Hidaya. 2013. Transcultural ethnography in tandems: collaboration and reciprocity combined and extended. In: Freiburger Ethnologische Arbeitspapiere 2013, Nr. 23 http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/9155/.
- Schlehe, Judith and G.R. Lono Lastoro Simatupang (eds) 2008. Towards Global Education? Indonesian and German Academic Cultures Compared. Menuju Pendidikan Global? Membandingkan budaya akademik Indonesia dan Jerman. Yogyakarta: Kanisius.
Pressereferenzen
- "Jejaring Untuk Petani. Ein Netzwerk für die Landwirtschaft". Bilingualer Artikel im Magazin für DAAD-Alumni in Indonesien. (2019).
- "Besser nicht allein im Feld". Artikel aus der Zeitschrift Uni Wissen über transkulturelles Team-Building in der Freiburger Ethnologie (Januar 2018).
- "Dem Alltag auf der Spur". Artikel aus der Uni Cross Magazin zur gemeinsamen Feldforschung mit deutschen und indonesischen Ethnologie- und Politikstudierenden (16.08.2017).
- "Indonesier erforschen Deutsche: Zu Besuch bei strenggläubigen Veganern". SPIEGEL-Bericht über das interkulturelle Lehrforschungsprojekt des Freiburger Instituts für Ethnologie (17.11.2011).